Vox de Celis

Pilgern zu den Kölner Reliquien des Mittelalters

 

Musik aus Köln und Europa: Hachenberch Codex (Museum Schnütgen Köln), Kölner Dom- und Erzdiözesanmuseum, Codice Firenze und Cortona (Italien), Cantigas de Santa Maria (Galizien), Codex Montpellier (Frankreich), Pie Cantiones (Skandinavien), u.a.

 

Der Reliquienkult hat seine Wurzeln ebenso wie das Pilgern in der altchristlichen Grabkultur. Mit ihm ehrte man seit dem 2. und 3. Jahrhundert jene Christen, die ihres Glaubens wegen getötet worden waren. Ein Altar konnte nur über ein Märtyrergrab errichtet werden. Da es aber bald mehr Kirchen als Märtyrer gab, entschloss man sich im 10. Jahrhundert, die Körperreliquien zu zerstückeln.

Und bis zum heutigen Tag gilt für jeden Altar in einer katholischen Kirche, dass sich unter ihm oder in ihm einige Reliquien befinden. Diese erlangten im Laufe der Jahrhunderte eine fast sakramentale Bedeutung. Und weil sie zu diesem außerordentlichen Stellenwert gekommen waren, waren sie nicht nur außerordentlich kostbar, sondern boten auch zahllose Möglichkeiten des Betrugs.

Ein Beispiel bietet Petrus Martyr aus Verona, in Köln nicht nur als Patron der Bierbrauer bekannt, sondern auch als Namensgeber des kleinen Bierfasses „Pittermännchen“. Er wurde am 6. April 1252 bei Mailand ermordet, dort begraben und nur elf Monate nach seinem Tod heilig gesprochen. In seinen Annalen ist plötzlich von einem zweiten Leib des Heiligen die Rede: eine Hälfte befinde sich in Prag, die andere in Palermo. Den in Mailand fehlenden Arm konnte man in Toledo bewundern. Eine vierte Hand bewahrte man im Escorial auf und sein einundzwanzigster Finger lag in Cesena, der zweiundzwanzigste in Verona… und der einunddreißigste in Köln!

Köln wurde mit der Translatio der Heiligen Drei Könige vor nun mehr als 850 Jahren zu einem der wichtigsten Pilgerzentren und Umschlagplätze für Reliquien im Mittelalter. Die vielen Pilgerströme führten schließlich zum Bau des Kölner Doms und vieler weiterer Kirchen. Als Beispiel sei hier die romanische Kirche St. Ursula mit ihrer Knochenkammer, in der die „heiligen Knöchelchen“ der heiligen Ursula und ihrer Gefährtinnen liegen sollen, erwähnt.

Im Mittelpunkt unseres Programms stehen neben Liedern des Kölner Hachenberch Codex und Handschriften aus der Kölner Dom- und Erzdiözesanbibliothek, Lieder aus den Herkunftsländern der Pilger. Diese Lieder stammen aus berühmten Handschriften des Mittelalters: Laudario di Cortona und Laudario di Firenze (beide 2. Hälfte 13. Jh.), Codex Montpellier (spätes 13. Jahrhundert), Cantigas de Santa Maria (13. Jahrhundert). Bei uns weniger bekannt ist der Codex „Piae Cantiones“, eine schwedisch-finnische Sammlung von Kirchengesängen, die 1582 in Greifswald gedruckt worden ist. Die Gesänge sind zum Teil aber viel älter wie in unserem Falle: die originale Melodie von „Personent hodie“ entstand schon um 1360 in Deutschland im Kloster Moosburg.

 

Vielleicht haben diese mittelalterlichen Pilgerströme aus ganz Europa dazu beigetragen, dass Köln bis heute den Ruf einer weltoffenen Stadt genießt?

 

 

zurück zu Programme

 

 

 

 

 

Besetzung:

Ars Choralis Coeln

mit  Sanstierce

(Maria Jonas – Gesang

Bassem Hawar – Djoze (irakische Fidel)

Dominik Schneider – mittelalterliche Flöte & Quinterne) und 

Riccardo Delfino (Harfe & Drehleier)