Die Codice des Dominikanerinnenkloster Paradiese b. Soest (13.-15. Jh.)
Am 25. Juli 1252 erteilte Konrad von Hochstaden, Erzbischof von Köln, die Erlaubnis zum Bau des Klosters Paradiese. Man kann jedoch bis heute nicht genau einschätzen, in welchem Ausmaß die oftmals in strenger Klausur lebenden Frauen aktiv Anteil am geistlich-intellektuellen Leben ihrer Zeit und Umgebung nahmen. Das liegt auch daran, dass von Nonnen selbständig verfasste Schriften im Mittelalter eine große Seltenheit blieben, da die Amtskirche ihnen öffentliche Äußerungen zu religiösen Fragen verbot. Umso mehr Aufmerksamkeit verdienen daher die vier noch weitgehend unbekannten liturgischen Handschriften, die zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert angefertigt wurden. Diese Handschriften wurden von den Nonnen nicht nur kostbar illustriert, sondern auch mit über 1000 lateinischen Kommentaren versehen und lassen so ein spezifisch klösterliches Wissen erkennen.
Die vier Handschriften des Klosters (Antiphonale Sommer- und Winterteil, Graduale Sommer- und Winterteil), die heute in der Landesbibliothek Düsseldorf liegen, fallen durch eine reiche Bildfülle auf, der sogenannten Nonnenmalerei. Die Musik selber entspricht der Liturgie des Gottesdienstes und des Stundengebetes. Die vier Codices des Klosters Paradiese, insgesamt ein Corpus von fast 4.000 Folien, sind ein außergewöhnliches Zeugnis von den Fähigkeiten der dort im Kloster ansässigen Nonnen, denn erst im Laufe des 15. Jahrhunderts hatte sich durchgesetzt, dass auch Nonnen in Latein und der Kunst des Schreibens und Malens unterwiesen wurden.
Über das Skriptorium der Schwestern von Paradiese weiß man heute sehr wenig. Viele Fragen stehen im Raum: bezüglich der Miniaturen, der Datierung der Handschrift, den Entstehungsbedingungen und der Schreiberinnen. Die Dominikanerinnen von Paradiese dürften über einen Zeitraum von mehr als hundert Jahren reich illuminierte liturgische Handschriften größtenteils selber hergestellt haben. Selbst Kooperationen mit weltlichen Künstlern und Auftragsarbeiten für andere Klöster sind belegt.
In den vier Handschriften der Schwestern entfaltet sich ein großer Farbkosmos unter reicher Verwendung von Silber und Gold. Die liturgischen Gesänge werden durch anspielungsreiche, dichte Bilderfolgen kommentiert, paraphrasiert und gedeutet. Sogar die Schwestern des Klosters wurden in den Handschriften verewigt: mehrfach schmücken kniende Dominikanerinnen mit ihrem weißen Habit und schwarz schraffierten Schleiern die Ränder des Pergamentes der Handschrift und halten Spruchbänder empor.
Die Gregorianik ist ein Repertoire, welches zunächst von Männern für Männer geschaffen wurde. Mit dem Entstehen von Frauenklöstern änderte sich das, denn auch die Nonnen sangen täglich das Stundengebet. Hildegard von Bingen, die herausragende Frau des 12. Jahrhunderts, schuf auf geniale Weise ein neues Liedgut für die Benediktinerinnen ihrer beiden Klöster. Auch bei den Handschriften aus dem Kloster Paradiese gibt es Auffälligkeiten, die darauf hinweisen, dass einige Texte und Melodien der Sequenzen und Hymnen von den Nonnen selber zu stammen scheinen. Diese Erkenntnis stammt von den amerikanischen Professoren Jeffrey Hamburger und Margot Fassler (beide Havard), die sich der Handschriften angenommen haben. So nimmt es nicht Wunder, dass in einem so offensichtlich sangesfreudigen Kloster, wie das Kloster Paradiese es zu sein schien, die Nonnen hingingen und sich ihre Musik selber schufen – auf alle Fälle müssen wir ihnen dankbar sein, dass sie den Mut und das Talent hatten, ihre Lieder und Ideen umzusetzen und aufzuschreiben.
1255 nahm der damalige Ordensprovinzial Albertus Magnus die Professgelübde der ersten zwölf Nonnen des Klosters Paradiese entgegen. Dieser große dominikanische Kirchenlehrer Albertus Magnus († 15. November 1280) wirkte bis zuletzt in Köln an der romanischen Kirche St. Andreas; bis heute leben dort Dominikaner. Und hier liegen seit dem 15. November 1954 Alberts Magnus Gebeine.
Maria Jonas
benutzte Quellen:
St. John The Divine, The Defied Evamgelist in Medieval Art and Theology, Jeffrey F. Hamburger, Havard Universitiy, Universoty of California Press, 2002
Leaves from Paradise: The Cult of John the Evangelist at the Dominicain Convent of Paradiese b. Soest, Edited by Jeffrey F. Hamburger, Havard Universitiy, Houghton Library of the Harvard College Library, Cambridge, Massachusetts, 2008
Music and the Miraculous: Mary in the Mid-Thirteen -Century Dominican Sequence Repertory, Margot Fassler, University of Notre Dame
Besetzung:
Ars Choralis Coeln
KlosterKlaenge VI
Klangwerkstatt - November, 31.10. - 3.11., Kolumba, Köln
3.11. 12.00, 13.00, 14.00, 15.00 im Diözesanmuseum, Kolumba, Köln
Kassia & Hildegard von Bingen